Sonntag, 12. Mai 2013

Ehrenbürger Hindenburg

"Der Krieg bekommt mir wie eine Badekur."
(Paul von Hindenburg)


Von Hindenburg zu Adolf
Hindenburgstraße (im nordrhein-westfälischen Remscheid): Noch heute Ehrenbürger vieler Städte

Hindenburg - Kriegsheld und Ehrenbürger vieler Städte

Am 30. Januar 1933 ernannte Reichspräsident Paul von Hindenburg Adolf Hitler zum deutschen Reichskanzler. Die Nazis zeigten sich dankbar. Schon bald gingen zahlreiche Städte des Deutschen Reichs dazu über, ihn neben führenden Politikern der NSDAP auch ohne jeden Ortsbezug zu ihrem Ehrenbürger zu ernennen. So auch die Stadt, in der ich wohne, Wermelskirchen in Nordrhein-Westfalen. Er ist es noch heute, 2013, 80 Jahre nach Hitlers Ernennung.

Hindenburg war damals populär. Im Ersten Weltkrieg hatte er sich durch geschicktes Ruhm-Management zum Kriegshelden stilisiert ("Schlacht bei Tannenberg"), am Ende des Krieges führte er zusammen mit Erich Ludendorff faktisch eine Militärdiktatur in Deutschland an.

Nach Kriegsende erfand er die Dolchstoßlegende, nach der das deutsche Heer "im Felde unbesiegt" geblieben, aber durch linkssozialistische Revolutionäre von hinten "erdolcht" worden sei.

Hindenburg - letzter Präsident der Weimarer Republik

In der Weimarer Republik hielt sich Hindenburg als Reichspräsident zunächst strikt an die Verfassung, regierte jedoch angesichts wechselnder Mehrheiten und einer Vielzahl von Parteien unglücklich per Notverordnungen am Parlament vorbei. Sein Führungszirkel intrigierte fleißig, auch unter- und gegeneinander. So ernannte Hindenburg schließlich auf Vorschlag seiner Einflüsterer Adolf Hitler zum Kanzler, dem er eigentlich skeptisch gegenüberstand, da er ihn aufgrund seines niedrigen Dienstranges im Ersten Weltkrieg verachtete ("Der böhmische Gefreite"). Danach hoffte der angejahrte Präsident mehr oder weniger (und natürlich vergeblich) auf eine Wiederherstellung der Monarchie. Weder zum "Ermächtigungsgesetz" noch zu den zahlreichen Verhaftungen und Entrechtungen, noch zum Beseitigen von Hitlers Konkurrenten hörte man von ihm ein kritisches Wort. Im August 1934 starb der Greis, Hitler übernahm seinen Amt gleich mit.

Es folgte der Zweite Weltkrieg, nach dessen Ende es nicht nur weniger Adolf-Hitler-Plätze und -Straßen, sondern auch einige Hindenburg-Plätze und -Straßen weniger in Deutschland gab. Manche Städte - so auch Wermelskirchen - behielten jedoch ihre Benennungen bei. Schließlich war Hindenburg kein Nazi gewesen.

Wirklich nicht?

Ein kleiner Rückblick ins Jahr 1933:

  • Am ersten Februar 1933 löste Hindenburg auf Wunsch Hitlers den Reichstag auf.
  • Am sechsten Februar 1933 verleiht Hindenburg auf Betreiben Hitlers Franz von Papen eine Vollmacht zur Auflösung des preußischen Landtags.
  • Am 28. Februar 1933 (nach dem Reichstagsbrand) unterzeichnet Hindenburg Notverordnungen, die mit sofortiger Kraft die Meinungs-, Presse- und Versammlungsfreiheit noch weiter einschränken und der Polizei weitreichende Befugnisse einräumen. Die Parteizeitung der SPD ("Vorwärts") wird "vorläufig" verboten. Als weitere Folge kommt es zu Massenverhaftungen von Anhängern der KPD und der SPD.
  • Auch bei der letzten "freien" Wahl im März 1933 können die Nazis keine eigene Mehrheit erreichen.
  • Am 21 März 1933 lässt sich Hindenburg erfolgreich für eine Show-Veranstaltung der Nazis in Potsdam einspannen ("Das alte und das neue Deutschland reichen sich die Hände"), bei der sich Hitler erfolgreich in die Kontinuität der preußischen Könige stellt. Die Veranstaltung erhöht dann auch wie geplant das Ansehen der Regierung Hitler.
  • Am selben Tag erlässt Hindenburg die "Verordnung des Reichspräsidenten zur Abwehr heimtückischer Angriffe gegen die Regierung der nationalen Erhebung".
  • Am 23. März 1933 stimmt der Reichstag im Beisein bewaffneter SA- und SS-Einheiten über das "Gesetz zur Behebung der Not von Volk und Reich" (besser bekannt als "Ermächtigungsgesetz") ab, das das Parlament entmachtet und die Regierung zum Gesetzgeber macht. Die Reichstagsabgeordneten der KPD können an der Abstimmung nicht teilnehmen, da sie entweder zuvor verhaftet wurden oder aufgrund von Todesdrohungen untertauchen mussten. Auch einige Abgeordnete der SPD fehlen wegen Festnahme oder Flucht. Der Reichskanzler Hitler spottet in Richtung SPD: "Sie sind wehleidig, meine Herren! Wenn Sie jetzt schon von Verfolgungen sprechen - wer hat Sie denn bisher verfolgt?"
  • Das Gesetz wird beschlossen und mit Hindenburgs Unterschrift am Folgetag im Reichsgesetzblatt veröffentlicht.
  • Am 1. April findet ein von den Nazis organisierter Boykott jüdischer Geschäfte statt. Vom Reichspräsidenten Hindenburg hört man hierzu nichts.
  • Am 10. Mai 1933 finden in vielen Städten öffentliche Bücherverbrennungen statt. Vom Reichspräsidenten Hindenburg auch hierzu - nichts.
  • Von der nationalsozialistischen Reichsregierung und der gleichgeschalteten preußischen Regierung erhält Hindenburg 1933 "Dotationen" (Einkünfte) von insgesamt 1 Million Reichsmark.
  • Am 14 Juli 1933 verbietet die Regierung Hitler die Bildung von Parteien. Von Hindenburg - kein Protest.
  • Wenige Wochen vor Hindenburgs Tod am 2. August 1934, der bis zum Ende im Besitz seiner geistigen Kräfte blieb, hatte Hitler anlässlich des so genannten "Röhm-Putsches" noch schnell seine letzten potenziellen Konkurrenten ermorden lassen.



Hindenburg (links), 1. Mai 1933.
(Das Bild ist unter der Creative Commons-Lizenz Namensnennung-Weitergabe unter gleichen Bedingungen 3.0 Deutschland lizenziert. Namensnennung: Bundesarchiv, Bild 102-14569 / CC-BY-SA)


Hindenburg - Oberbefehlshaber - und oberster Mitläufer

Da fragt man sich doch: Warum darf jemand immer noch Ehrenbürger unserer Stadt sein,...

  • der Hitler zum Kanzler machte? 
  • der zwar im kleinen Kreis, aber nie öffentliche ein kritisches Wort gegenüber der Unterdrückung einer demokratischen Opposition erhob? 
  • der nie seine Stimme, welche immerhin noch genug Gewicht gehabt hätte, gegen die Errichtung "wilder Konzentrationslager" erhob? 
  • der nie seine Stimme gegen die Entrechtung jüdischer Mitbürger (außer, wenn sie im Ersten Weltkrieg für Deutschland gekämpft hatten) erhob?


"Notfalls kann ich immer noch als Oberbefehlshaber eingreifen.", sagte Paul von Hindenburg angeblich Ende Mai 1934 zum niederländischen Botschafter. Leider verstarb der greise Präsident dann schon zwei Monate später.

Welch ein Held wäre dieser Paul von Hindenburg wohl heute, hätte er diese Ankündigung wahr gemacht? Hätte er Hitler von der Reichswehr verhaften und füsilieren lassen?

Dann wäre Paul von Hindenburg heute wohl zu Recht Ehrenbürger meiner Stadt.


Weblinks:

Wikipedia: Paul von Hindenburg als Ehrenbürger
http://de.wikipedia.org/wiki/Paul_von_Hindenburg_als_Ehrenb%C3%BCrger

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