Dienstag, 27. Juli 2010

Kinderbetreuung - Müttersache?

Wo genau steht eigentlich Nordrhein-Westfalen, das bevölkerungsreichste westdeutsche Bundesland, im Hinblick auf das Betreuungsangebot von Kindern, fragte die "Initiative Neu Soziale Marktwirtschaft" im "Bildungscheck". Antwort: Auf dem vorletzten Platz, vor dem Schlusslicht Berlin. Noch 2005 trug sogar NRW selbst die rote Laterne.

2010 gibt es für nur 20 Prozent der Unterdreijährigen einen Platz in einer Tageseinrichtung oder in der Kindertagespflege. Ein Skandal ersten Ranges und ein absolutes Armutszeugnis!

Zum Vergleich: Im armen ostdeutschen Sachsen-Anhalt wurden 2007 über 50 Prozent der Kleinen betreut, im strukturschwachen Mecklenburg-Vorpommern immerhin deutlich über 40 Prozent. Das beste westdeutsche Bundesland (Hamburg) kam 2009 gerade einmal auf gut 25 Prozent. Kurioserweise stimmt das Betreuungsangebot dort in Deutschland, wo die Arbeitslosigkeit am höchsten ist: im Osten.

Der Umstand, dass man Kinder in (West-) Deutschland nicht vernünftig betreuen kann, zwingt regelmäßig Mütter, sich selbst um die Kleinen zu kümmern und ihren Job an den Nagel zu hängen oder zumindest in eine Teilzeitbeschäftigung zu wechseln. Warum Mütter?

Anscheinend hat man sich schon lange mit dem folgenden Modell abgefunden: Der Mann geht arbeiten, die Frau kümmert sich um die Kinder. Warum geht nicht die Frau arbeiten, und der Mann bleibt zu Hause? Antwort: Weil Frauen in diesem Land im Schnitt rund 25 Prozent weniger verdienen als Männer. Und wer geht nach der Geburt von Kindern dann arbeiten? Richtig, natürlich derjenige, der am meisten verdient: der Mann. Die Frau wechselt dann gezwungenermaßen in eine Teilzeitbeschäftigung - und verdient noch weniger - ein Teufelskreis.
Dabei sind Frauen in Deutschland hochqualifiziert - sie haben bessere Noten, studieren schneller und erfolgreicher als Männer - um sich mit Mitte dreißig aus dem Berufsleben weitgehend zu verabschieden und der Kinderbetreuung zu widmen. Dieses Modell ist gesellschaftlich so akzeptiert, dass sogar gelegentlich von betreuenden Müttern gegen berufstätige Mütter gestichelt wird ("Und du gehst wirklich voll arbeiten? Also, für mich wär das ja nichts, die Kinder sind doch noch so klein!"). Oder, wie es Simone Schmollack jüngst in der taz formulierte: "Solange sich ihr Alltag zwischen Buddelkasten, Putzfrau und sonnendurchfluteter Wohnung bewegt (bezahlt vom Vollzeitpapi), verzichten sie nicht nur freiwillig auf Beruf und Karriere, sondern vor allem auf die Emanzipation." Erst wenn sich der Mann aus dem "familiären Lebensentwurf" verabschiede, so Schmollack, wachten diese "Macchiato-Mütter" auf.

Kinder sind Frauensache - ist das wirklich so? Warum muss überhaupt jemand "zu Hause bleiben" - und aufhören zu arbeiten und Geld zu verdienen?

Es wird Zeit, dass in Deutschland erkannt wird, welches Potenzial in einer funktionierenden Kinderbetreuung steckt: Potenzial für die Gleichberechtigung von Mann und Frau, aber auch Potenzial für die Wirtschaft: Denn Frauen, die arbeiten, zahlen Steuern.


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