Mittwoch, 17. Dezember 2014

Nachricht aus der Zukunft

Quelle: NASA (gemeinfrei)
http://commons.wikimedia.org/wiki/File:Sun_in_X-Ray.png

An meiner Tür klingelten heute zwei merkwürdige Gestalten, die ich für die jahreszeitlich üblichen Spendensammler hielt. Ich verscheuchte Sie und bekam gerade noch mit, wie einer der beiden im Weggehen verärgert etwas von "extra aus der Zukunft gereist" murmelte. Dann fiel mein Blick auf einige Blätter, die auf dem Boden lagen. Ich blätterte darin.

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Es begann an einem schönen, sonnigen Frühlingsmorgen an den Stufen vor der Star Fleet Acedemy in San Francisco. Ich kam gerade von einem Seminar über „Aufbau der Strategien der Xenobiologie“, das ich nun ein ganzes Sommersemester über zu halten gedachte. Meine Studenten bildeten eine überaus nette und lernbegierige Gruppe, manche von ihnen hatten ihren ersten größeren Flug mit den neuen Schiffen der Raumflotte noch vor sich - als Kadetten der Föderation der Vereinten Planeten.
Auch ich hatte ihre Laufbahn damals eingeschlagen. Wie schon in der Schule brauchte ich jedoch für alles ein wenig länger. Außerdem betrachtete ich das Studium als einen angenehmen Lebensabschnitt, den man verlängern mußte, wo es ging, ohne daß man sich unnötig die Karriere verbaute. So wurde mein ehemaliger Kommilitone James Kirk jüngster Captain eines Raumschiffs und begab sich auf eine 5-jährige Forschungsmission, während ich noch immer im Aufbaustudium der Xenobiologie steckte. Jim war zwar nie mein Vorbild, doch eine gewisse Bewunderung für seine glanzvolle Karriere kann ich nicht leugnen.
Nun, ich will mich nicht beklagen. Letztlich bin auch ich Captain geworden. Mein Schiff, die USS „Aufbau“, stand Jim’s „Enterprise“ in nichts nach. Ein ganz so schillernder Name fehlte allerdings dem Captain, was ich meinen Eltern noch immer schwer übelnehme. Sie nannten mich Reinhard Schinka, was wohl damit zu tun hat, daß ich deutscher Abstimmung bin. Diesen Namen auf Standard auszusprechen, ist aber fast ein Ding der Unmöglichkeit. Meine Eltern waren beide Traditionalisten. Reinhard war der Name meines Urgroßvaters, der zwar der erste Student in der Geschichte der Familie war, aber, soweit ich mal in seinen Tagebüchern gelesen habe, sein Leben in erster Linie dem Zeichnen von Bildergeschichten widmete.
Er erlebte seinerzeit, wie die Grenzen Europas fielen, und die Auflösung der Nationalstaaten einsetzte. Darum habe ich ihn oft beneidet. Egal, Schwamm drüber, das alles ist eine andere Geschichte als die, die ich eigentlich erzählen wollte.
Es begann alles in dem Moment, als ich meinen Fuß auf die Stufen der Akademie setzte. Aber das sagte ich ja bereits. Urplötzlich kam es mir vor, als stünde ich neben mir. Mag sein, daß Sie jetzt sagen: Dieses Gefühl kenne ich gut! Aber ich kann ihnen versichern, daß ich dieses Gefühl mit allen ähnlichen Empfindungen verglichen habe (einschließlich der Wirkung von zwei Litern Romulanerbräu), aber was es auch war, es läßt sich nur so beschreiben: Für einen winzigen Augenblick stand ich neben mir in einem anderen Universum und in einer anderen Dimension.
Es war, als habe mich jemand fotografiert, und ich müßte fortan als Negativ in der Gegend rumlaufen, während mein Original in der Realität einer anderen Welt zurückblieb. Die Leute um mich herum hatten aber anscheinend nicht das gleiche verspürt, und so verzichtete ich darauf, meine Empfindungen jemanden mitzuteilen.
Das klingt vielleicht noch nicht besonders dramatisch, und zunächst dachte ich auch, ich hätte wohl was mit meinem Kreislauf. Aber was es wirklich war, das erfuhr ich erst sehr viel später. (Und deshalb werde ich es ihnen auch erst sehr viel später erklären).
Der Rest des Tages war für den Verlauf meines ganz persönlichen Wohlbefindens ohne besondere Bedeutung, deshalb werde ich ihn jetzt nicht näher beschreiben. Meine Studenten waren wie immer gut gelaunt (die meisten waren vor kurzem aus dem Urlaub zurückgekehrt), und nur zwei Mädchen kicherten penetrant vor sich hin, was ich auf die attraktive Bräune ihrer männlichen Kommilitonen zurückführte. Da ich im Augenblick nicht ganz sicher bin, ob Sie, werter Leser, ein Kind meiner Zeit sein werden, möchte ich nur noch bemerken, daß mit der Abschaffung jeglicher Prüfungen für Studenten im Jahre 2134 die Stimmung an den Universitäten dieses Planeten allgemein anstieg. Zwar gab es vereinzelt Proteste seitens der Studenten, doch beschränkten sich diese ausnahmslos auf Europa und dort vor allem auf die Heimat meiner Vorfahren, Deutschland.
Ansonsten fand die stündliche, generelle Bewertung durch das Lehrpersonal ab dem fünften Semester (also zu einem Zeitpunkt, wo der Unterrichtende alle Studenten schon kennen kann) eine positive Resonanz, da sie den Studenten den Erfolg- und Prüfungsdruck nahm, was zuvor fast jedes Prüfungsergebnis verfälscht hatte. Aber ich schweife schon wieder ab.
Es war Nacht und ich hatte mich gerade schlafen gelegt (normalerweise bin ich in spätestens fünf Minuten sanft eingeschlummert - so auch diesmal), als ich einen der furchtbarsten Träume durchlebte, den ich je hatte.
Es fällt mir schwer, das Geträumte in Worte zu fassen. Wenn Sie sich an Träume erinnern, werden Sie hin und wieder im Traum Stimmen hören. Diese Stimmen bleiben aber innerhalb einer tolerablen Lautstärke, und meistens werden Sie sich an nichts Besonderes erinnern.
Bei meinem Traum war dies aber völlig verschieden. Eine Stimme mit unglaublich durchdringender Lautstärke schrie mir einen Befehl ins Gesicht, daß ich glaubte, ich müsse mein Gehör verlieren. Der Befehl war zwar in einer mir unbekannten Sprache abgefaßt, dennoch konnte ich mich am Morgen genau an seinen Wortlaut erinnern. Er war, in lateinischen Buchstaben ausgedrückt, etwa:
„Sha ki Thar - Ko fah Korr!“
Ich notierte mir diesen Satz sofort nach dem Aufstehen, und erwog ernsthaft, mit meinem Bordarzt und Vertrauten, Dr. Spunckmeyer darüber zu sprechen. Nach dem Frühstück war der Traum fast vergessen, und nach dem Abwasch (ich war Junggeselle) auch der Vorsatz, meinen Bordarzt zu konsultieren.
Ich betrat wenig später einen Laden an der Berlin Street und kaufte einen Rieseneimer Farbe. Daß mir diese Aktion nicht eigenartig vorkam, wundert mich noch heute, denn ich hatte dies niemals vorgehabt. Was hätte ich anstreichen sollen? Aber aus irgendeinem Grund verzichtete ich auf eine Analyse meiner Handlungen, und ging anschließend zur Arbeit wie immer.

In meinem Büro der Biologischen Fakultät erwartete mich bereits Peter McMurdock, mein erster Offizier. Er schaute besorgt drein, was mich aber nicht weiter verunsicherte. McMurdock war ein Pessimist, der wahrscheinlich sogar dann besorgt dreinblicken würde, wenn das Jüngste Gericht ihm ewiges Leben und immerwährendes Glück zusprechen würde.
„Hallo Mr. McMurdock“, begrüßte ich ihn. „Schon gefrühstückt? Ich wollte gerade in die Cafeteria...“
„Captain, ich bin im Auftrag von Star Fleet Command hier“, begann er, „Sie haben eine Anweisung erhalten, sich umgehend auf der „Aufbau“ einzufinden und dann Admiral T’Yoshiku zu kontaktieren.“
Das überraschte mich wirklich. Nach meinem Wissen hatte Admiral T’Yoshiku vor allem mit der Erforschung und Beobachtung von schwarzen Löchern zu tun. Ich war aber Xenobiologe. Zwei Bereiche, die sich selten treffen, da jede Spezies, egal woher sie stammt, Schwarze Löcher meidet, und falls sie dies doch einmal nicht tun sollte, verschwindet sie und ich kann sie nicht analysieren. McMurdock hatte mich neugierig gemacht. „T’Yoshiku ?“, fragte ich. „Möchte T’Yoshiku ein Schwarzes Loch finden? Ich könnte ihm das in meinem Magen anbieten.“
„Captain, die Lage ist sehr ernst. Wir haben Alarmstufe Gelb und ich habe Anweisung, Sie umgehend zur ‚Aufbau‘ zu eskortieren!“
McMurdock war Posianer, und damit gehörte er zur hurmorlosesten Gattung aller Humanoiden der Galaxis. Gegen einen Posianer waren Vulkanier alberne Witzereißer.
„Umgehend? McMurdock, ich habe noch nicht einmal...“
„Der Befehl war eindeutig, Captain.“
„Mann, ich stecke mitten zwischen zwei Vorlesungen. Geben Sie mir wenigstens Zeit, die Studenten zu informieren!“
„Captain“, erklärte mir McMurdock ruhig, „Zeit ist offenbar ein Luxus, den wir uns angesichts der Tatsache, daß wir Arlamstufe Gelb haben, nicht leisten können. Ich muß Sie also in aller Form bitten,...“ „Ja ja“, unterbrach ich ihn mißmutig, „Nun brechen Sie sich mal keinen ab, ich komme ja mit.“ Ich drückte eine Com-Taste. „Nina, bitte machen Sie publik, daß meine Vorlesungen vorerst ausfallen. Ich muß dringend zur „Aufbau“. Schinka Ende.“
Ich hatte kaum geendet, als McMurdock einen Kommunikator aufklappte und den Befehl zum Hochbeamen gab. Aus dem Com-Kanal ertönte Ninas Stimme, die irgendetwas fragte, was aber im Sirren des Transporterstrahls unterging. Unwillkürlich empfand ich ein gewisses Mitleid für meine Sekretärin. Was soll sie jetzt von mir denken? Als zweiter Gedanke ging mir aber etwas anderes durch den Kopf. Etwas, das ich zu erledigen begonnen hatte, das aber noch auf mich wartete. Dann sah ich den Transporterraum der „Aufbau“ vor mir, und schlagartig wurde mir wieder der eigentliche Grund meines Hierseins bewußt.
„Willkommen an Bord, Captain!“, begrüßte mich der diensthabende Offizier, dessen Namen ich peinlicherweise vergessen hatte, obwohl ich ihn in einer Menschenmenge von 100.000 Leuten sofort erkannt hätte.
„Sofort einen Com-Kanal zu Admiral T’Yoshiku in meine Kabine legen!“, wich ich einer allzu langen Begrüßungszene aus. „Aye, aye Sir!“, erwiderte der gute Mann knapp. Er war sichtlich enttäuscht. Vermutlich hatte er erwartet, mit „Hallo!“ und einer Flasche Sekt begrüßt zu werden. Auf der „Aufbau“ befanden sich vor allem ältere Kadetten, die ein längeres Studium als ihre Kommilitonen hinter sich hatten. Die besten Kadetten fanden sich auf der Enterprise von Jim Kirk wieder, die schlechtesten auf meiner „Aufbau“. Der Rest auf den übrigen zehn Föderationsschiffen.

Ärgerlich für den Kommandanten, der ja nun einmal ich war. Trotzdem empfand ich eine solch offensichtliche Deklassierung als Herausforderung, und außerdem hatte ich festgestellt, daß meine Jungoffiziere wesentlich kritikfähiger waren als einige aus Jims Enterprise-Besatzung. Ich erinnere mich zum Beispiel, daß viele Kadetten mir gegenüber äußerten, daß James T. Kirk ein viel zu junger Captain für ein so gewaltiges Schiff wie die Enterprise sei, als ich sie aber in Jims Gegenwart erlebte, äußerten sie nur nette Worte über ihn. Inzwischen dürfte Jim sie überzeugt haben, daß er der beste Captain der Flotte ist, aber was ich mit dieser Geschichte sagen wollte, war, daß ich unter meiner Mannschaft häufig offene Kritik hinnehmen mußte, aber bei allem nie das Gefühl hatte, hintergangen zu werden.
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Was zum Teufel...?