Samstag, 30. März 2013

Am Grabe des Comenius

Nein, das ist nicht sein Grab: Comenius-Büste hinter dem Comenius-Museum in Naarden.

Comenius - wieder so jemand, von dem man gehört hat, aber nicht genau weiß, wer das eigentlich war. Um es für die heutige Generation möglichst kurz zu fassen: Jan Amos Komenský, so sein eigentlicher Name, lebte während des 30-jährigen Krieges (1618-1648 also) - ja, wo eigentlich? Seine ursprüngliche Heimat liegt zwar im heutigen Tschechien, aber durch die ständigen Vertreibungen während des letzten großen Glaubenskrieges zwischen Katholiken und Protestanten lebt Comenius dann später in halb Europa - teils freiwillig, teils unfreiwillig. Einige seiner Frauen sowie einige seiner Kinder überlebte er um Jahre. Seine letzte Station hieß Amsterdam, wo er selbst 1670, im Alter von 78 Jahren immerhin, verstarb. Begraben wurde er in Naarden, unweit der späteren niederländischen Hauptstadt.

Comenius gilt heute unter seinen Fans sozusagen als Erfinder der Pädagogik, unter kritischen Zeitgenossen doch zumindest noch einer Teildisziplin davon, der "Didaktik". Nun muss man heutigen Schülern auch  diese Bezeichnung vermutlich erst einmal übersetzen. Simpel gesagt, bedeutet Didaktik so viel wie "Die Art, wie man Wissen am besten vermittelt". Comenius löste dies vor allem auf zweierlei Art: Er malte, was er vermitteln wollte, gleich auf und schuf so quasi der Welt ersten Comic. Links das Bild einer Maus, daneben in drei Sprachen der Satz "Die Maus piepst". So macht Lernen gleich mehr Spaß (und die Pädagogen wussten es ja schon immer - die meisten Lerntypen lernen eben visuell)!

Sein zweiter Leitsatz lautetet: "Alles fließe aus eigenem Antrieb, Gewalt sein ferne den Dingen!", was in heutiger Sprache etwa so viel bedeutet wie "Lern möglichst angstfrei, und zwar erstmal das, was dich auch interessiert, dann geht's quasi von alleine!"

In seinen Worten klang das auch schon äußerst modern: "Schulen sind Produktionsstätten der Menschlichkeit, sofern sie bewirken, dass aus Menschen wirklich Menschen werden." (Didactica magna)

"Omnia sponte fluant, absit violentia rebus": Comenius-Mausoleum in Naarden (www.comeniusmuseum.nl)

Comenius verfügte über eine umfangreiche Bibliothek. Tragischerweise brannte diese komplett ab. Seine Liebe zu seinen verlorenen Büchern spiegelt sich in dem Zitat:

"Welch göttliches Geschenk sind also die Bücher für den Menschengeist! Kein größeres könnte man sich für ein Leben des Gedächtnisses und des Urteils wünschen. Sie nicht lieben heißt die Weisheit nicht lieben. Die Weisheit aber nicht lieben bedeutet, ein Dummkopf zu sein." 

Grab des Comenius in Naarden.

Vorgestern hätte er seinen 421. Geburtstag gefeiert. Noch heute tragen viele Schulen, Straßen und Plätze seinen Namen. Er verdient es, dass wir uns weiterhin an ihn erinnern.

Donnerstag, 28. März 2013

Besuch beim Kaiser - Eindrücke aus Schloss Doorn

"Wer hat den schöneren Bart?" Schinka und der Kaiser.

Schon seit langem steht Schloss Doorn in den Niederlanden auf meiner Places-to-visit-Liste. Nicht zuletzt, weil es sich hierbei um den einzigen überhaupt in Reichweite für einen Abstecher befindlichen Ort handelt (die anderen liegen meist an irgendwelchen immerwarmen Küsten mit Palmen).

Da ich nicht alleine gereist bin (meine 16-jährige Tochter hat mich begleitet), rutschte der Besuch ans Ende des Kurztrips, da wir zuvor noch Naarden und Amsterdam besichtigt hatten. In Doorn trafen wir gegen halb fünf ein - die letzte Führung war um vier gewesen, und somit kam man auch gar nicht mehr rein, was schade, aber nicht unbedingt tragisch war, denn die eigentliche Sehenswürdigkeit liegt gar nicht im Schloss, sondern befindet sich etwas abseits, rechts daneben: Es ist der Sarg mit den sterblichen Überresten des letzten deutschen Kaisers, Wilhelm II. Da dieser weder in ausländischer Erde noch in einem Deutschland ohne Monarchie begraben sein wollte, ließ er sich dort ein Mausoleum errichten, in dem nun sein Sarg aufgebahrt ist.

Mausoleum Wilhelm II.

Heute weitgehend vergessen, muss doch angemerkt werden, dass Wilhelm eine ganze Epoche auch positiv identitätsstiftend geprägt hat: Er war der erste Medienstar der Welt, ließ sich gerne auf den gerade erst erfundenen Filmen ablichten und liebte das Posieren in Uniformen, die er mehrfach täglich wechselte. Heute würde er sich vermutlich einfach im Badzimmerspiegel mit seinem iPhone ablichten - da es das um 1900 noch nicht gab, hat er uns eine Vielzahl imposanter Ölgemälde hinterlassen, auf welchen uns seine Majestät mit adlerähnlichem Blick fixiert.

Apropos Adler: Hinterlassenschaften des Hauses Hohenzollern, zu dem Wilhelm gehörte, finden sich noch heute in unseren Staatssymbolen: Die preußischen Farben schwarz und weiß sind noch immer die Farben der deutschen Nationalmannschaft, und das Wappentier der Hohenzollern, der Seeadler, nennt sich heute einfach Bundesadler und hängt als etwas fettere Version im Reichtstagsgebäude (was auf Wunsch der Hohenzollern übrigens knapp außerhalb der damaligen Stadtgrenze Berlins errichtet werden musste. Aber das ist eine andere Geschichte).

Ein besonders schönes Exemplar der Gattung "Adler" steht im Garten direkt neben dem Schloss. Sein Glasauge linst in Richtung Deutschland.



Hinter der Skupltur finden sich einige Grabplatten der ihrem Herrchen ins niederländische Exil gefolgten oder dort angeschafften, aber sicher dort verschiedenen Haustiere seiner Majestät, darunter "die treue Senta", die ihr Herrchen durch den ersten Weltkrieg begleitete (was sich gefährlicher anhört, als es wohl war), die aber immerhin 20 Jahre alt wurde, was für einen Hund exzeptionell ist. Der Name "Arno" klingt auch nach Hund, wohingegen "Topsy" Interpretationsspielraum lassen würde, gäbe es nicht das schöne Sprichwort, nach dem "Soldaten Hunde und Künstler Katzen" hätten. Und Wilhelm II. zählt dann doch eher weniger zu den Künstlern seiner Zeit, auch wenn Golo Mann über ihn schreibt: "Er war ein guter Schauspieler"

Kaisers Hund. Der Treueste der Treuen.

Die Deutschen liebten ihren Kaiser. Und der Kaiser liebte sich auch. Rhetorisch nahm er manchmal Hitler vorweg, etwa in seiner berüchtigten "Hunnenrede" aus dem Jahr 1900, als er zum besten gab: "Pardon wird nicht gegeben! Gefangene werden nicht gemacht! Wer euch in die Hände fällt, sei euch verfallen! Wie vor tausend Jahren die Hunnen unter ihrem König Etzel sich einen Namen gemacht, der sie noch jetzt in Überlieferung und Märchen gewaltig erscheinen lässt, so möge der Name Deutscher in China auf 1000 Jahre durch euch in einer Weise bestätigt werden, dass es niemals wieder ein Chinese wagt, einen Deutschen scheel anzusehen!" Aber auch nach dem verlorenen Weltkrieg und seinem Abgang ins Exil schickte sein zurückgelassenes Volk seinem Kaiser noch Geschenke und Dankesbezeugungen aller Art nach Holland.

Verkleinerter Abguss des Denkmals "Amazone zu Pferde" von Louis Tuaillon (das Original steht auf der Berliner Museumsinsel) mit Inschrift: "Ostpreussische Frauen ihrem unvergesslichen Kaiserpaare"

Der Schriftsteller Heinrich Mann brachte es so auf den Punkt: 
"Was die Welt erblickte, war ein Herrenvolk aus Untertanen." 

Die Sache war aber nun leider die gewesen: Wilhelm hatte eine englische Mutter. Bei seiner Geburt - auf Wunsch der Mutter sollte ein englischer Arzt diese begleiten - wurde sein linker Arm verstümmelt und blieb verkürzt. Trotz seiner Behinderung wurde der junge Prinz Friedrich Wilhelm Viktor Albert von Preußen (so sein korrekter Name) zum Reitunterricht geprügelt. Später ritt er gerne und noch heute kann man in Doorn seinen letzten Arbeitszimmer-Stuhl bewundern: einen Sattel. Offenbar eine Variante des Stockholm-Syndroms.
Später begann der Kaiser dann ein Wettrüsten speziell mit Großbritannien, das mit dazu beitrug, dass Deutschland außenpolitisch isoliert wurde und in den ersten Weltkrieg steuerte.
Wer weiß, wie es gelaufen wäre, wenn ...? Hätten wir einen ersten Weltkrieg gehabt? Wenn ja, vielleicht hätte die Monarchie überlebt? Kein Geburtsfehler, kein Hitler, kein zweiter Weltkrieg? Gedanken im Schlosspark von Huis Doorn.

"Gott mit uns!" (Aufschrift auf der Flagge mit dem Wappen der Hohenzollern).
"Gott ist immer mit den stärkeren Bataillonen." (Friedrich der Große)

Und da liegt er nun - der Mann, der zu uns Deutschen einmal sagte: "Ich führe euch herrlichen Zeiten entgegen!" Und noch immer legen Menschen Kränze dort nieder. Auch Hitler schickte einen, als Wilhelm II. 1941 starb. Die Deutschen marschierten gerade in Jugoslawien, Griechenland und im selben Jahr auch noch in die Sowjetunion ein.

Weblink: http://de.wikipedia.org/wiki/Huis_Doorn