Nun ist es wieder einmal so weit: Die Anschläge vom 11. September 2001 jähren sich, im Fernsehen werden die gleichen pathetischen Sendungen ("Sag meiner Frau und den Kindern, dass ich sie liebe!") gezeigt wie im Vorjahr, "neue" Details finden den Weg auf die Titelseiten der Boulevardpresse, und Guido Knopp gibt mir erneut Gelegenheit, den Verlauf einer großen Staubwolke in Manhattan zu rekapitulieren.
Vermutlich ist die Armut an wirklich neuen Neuigkeiten nach 10 Jahren auch schuld, dass immer neue Verschwörungstheorien ins Kraut schießen. Bei Heise.de werden unter der Überschrift "Wer steuerte die Flugzeuge?" Indizien gesammelt, die der Frage nachzugehen scheinen, wie denn die US-Flugabwehr von den Terrorpiloten ausgetrickst werden konnte. Die nahe liegende Antwort (die so direkt im Artikel allerdings nicht ausformuliert wird) lautet natürlich: Die USA stecken selbst hinter allem!
Die viel näher liegende Frage allerdings, warum ein Staat ein solch hohes Risiko - bei einer drohenden Enttarnung - auf sich nehmen sollte, besonders angesichts der ja dann zahllosen Mitwisser und -verschwörer, wird nicht gestellt. Gleiches gilt übrigens für die angeblich "nur im Hollywoodstudio gedrehte" Mondlandung und den Angriff der Japaner auf Pearl Harbor, den die USA natürlich nur zugelassen haben, um endlich in den Zweiten Weltkrieg eingreifen zu können.
Den 11. September 2001 habe ich nachmittags an meinem Arbeitsplatz in Berlin vor dem Rechner verbracht, abends dann zu Hause vor dem Fernseher. Um 15 Uhr etwa murmelte mein Kollege am PC gegenüber etwas davon, dass ein Flugzeug ins World Trade Center geflogen sein solle. Beim Versuch, dies im WWW selbst zu überprüfen, stieß ich relativ schnell auf Websites, die durch Serverüberlastungen offline gegangen waren, bei der Netzeitung erschien plötzlich nur noch eine "Notseite".
Am Abend wurde ich dafür umso mehr von Bildern überflutet, darunter auch ein Bericht von jubelnd feiernden Palästinensern, darunter eine Frau mit dicker Brille und Kopftuch, die trällernde Laute der Freude ausstieß. Zum heutigen Jahrestag habe ich einmal danach gegoogelt und bin fündig geworden.
Das Video twitterte ich als Link mit dem sarkastischen Kommentar: "'Und wie haben Sie den 11. September 2001 erlebt?' 'Oh, wir haben die Anschläge gefeiert!'". Innerhalb von Minuten erreichte mich auch der erste Kommentar eines Thomas P. aus Berlin-Charlottenburg: "Ich bin mir nicht ganz sicher, ob diese Bilder zu den Vorkommnissen 9/11 gehören oder ob sie Teil der US-Propaganda sind". [Rechtschreibfehler beseitigt, Anm. RS]
In diese antiamerikanische Logik reihen sich gerne auch so genannte "Israelkritiker" ein. Wer den Kommentar zum Video mithört, muss sich anhören: Die Anschläge vom 11. September sind nur die Quittung für die Unterstützung der USA für Israel.
Wieder einmal sind also die Juden schuld. Also die 13,5 Mio. Juden, die es noch weltweit gibt und von denen laut Wikipedia etwas über 5 Mio. in Israel leben sowie 5,7 Mio. in den USA (sofern man Wikipedia nicht für ein CIA- oder Mossad-kontrolliertes Medium hält und an die Zahlen glauben mag).
Wenn nun, wie in diesen Tagen wieder einmal, "intellektuelle" Deutsche die USA (oder Israel) schulmeistern, dreht sich mir immer der Magen um. Will man damit beweisen, dass man wieder das Volk von Dichtern und Denkern sei und unter Beweis stellen, wie sehr man aus der eigenen Geschichte gelernt habe? Oder freut man sich im Falle Israels klammheimlich, die Nachkommen von Opfern deutscher Gewaltherrschaft auch mal auf differenzierte Art belehren zu können? "Ihr solltet wirklich toleranter sein in Israel, in Deutschland könnt ihr ja sehen, wohin so etwas führen kann!" Oder, wie es im Zusammenhang mit den "vielen neuen Fragen zum 11. September 2001" heißt: "Stoff genug für eine neue öffentliche Untersuchung der Anschläge."
Fremdschämen am 11. September.
Weblink:
Henryk M. Broder: Warum ich meinen Börne-Preis zurückgebe.
http://www.welt.de/debatte/henryk-m-broder/article116805906/Warum-ich-meinen-Boerne-Preis-zurueckgebe.html
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