Mittwoch, 1. Mai 2013

GameStop

"Bildung kommt von Bildschirm und nicht von Buch, sonst hieße es ja Buchung."
(Dieter Hildebrandt)


Bildung? Shoot, Shoot!


Games people play

Kürzlich saß ich nach Feierabend im Einkaufszentrum einer westdeutschen Großstadt auf einer Bank, direkt gegenüber von einem dieser Games-Läden und hatte so Gelegenheit, die Kunden, die dieses Geschäft aufsuchten und verließen, näher zu betrachten. Getrieben offenbar von der Frage "Wie schlägt man die Zeit am besten tot, bevor sie einen selbst tot schlägt?" betrat der eine oder andere Jugendliche, überwiegend, aber nicht ausschließlich, männlichen Geschlechts, den Laden. Zumindest optisch erfüllte die Kundschaft alle meine Vorurteile bezüglich bildungsferner Schichten, aber vielleicht tue ich ja dem einen oder anderen auch Unrecht. Nicht jeder, der Computerspiele spielt, muss zwingend bildungsfern sein. Auch ich habe einen gewissen Teil meines Lebens schon solch unterhaltsamen Spielen wie SimCity oder Duke Nukem geopfert. Allerdings erst, NACHDEM ich meine schulische sowie den überwiegenden Teil meiner universitären Bildung erworben hatte.

Dies wirft die Frage auf: Wie geht denn die heutige Jugend mit den Medien um? Wie erwirbt sie dabei die notwendige Bildung?

Die Jugend macht sich selber "dick, dumm, krank und traurig"

Lust auf ein wenig Statistik? Studien ergaben Folgendes: Fünfzehnjährige Mädchen nutzen elektronische Bildschirmmedien täglich über sechs Stunden, Jungen kommen auf rund siebeneinhalb Stunden pro Tag. Rund die Hälfte aller Jungen und immerhin ein Drittel aller Mädchen haben einen eigenen Fernseher im Kinderzimmer, auch Spielkonsolen sind weit verbreitet. Kinder verbringen viele Stunden täglich vor dem Bildschirm und werden dabei "dick, dumm, krank und traurig", so der Chef des Niedersächsischen Kriminologischen Forschungsinstituts, Christian Pfeiffer.

In einer Schülerbefragung wurden Jugendliche 2007/2008 gefragt, womit sie denn so ihre Freizeit verbrächten (Jungen/Mädchen). Die Antworten:
  • Platz 1: Fernsehen/DVD/Video (213/201 Min.)
  • Platz 2: Im Internet chatten (103/113 Min.)
  • Platz 3: Computerspiele (141/56 Min.)

Es bleibt natürlich die theoretische Chance, dass unter den Punkt "Fernsehen" auch das Schauen von ZDF.info-Dokus oder ein arte-Themenabend fallen, aber wahrscheinlich ist dies wohl eher nicht.


Bildung wird überschätzt

"Niemand urteilt schärfer als der Ungebildete, 
er kennt weder Gründe noch Gegengründe."
(Anselm Feuerbach)

Nun hört man zwar immer wieder, Bildung sei der Schlüssel zum beruflichen Erfolg, doch seien Sie mal ganz ehrlich: Das wird doch gnadenlos überschätzt. Wie viele gebildete Menschen kennen Sie denn in ihrem Bekanntenkreis?

Wenn Sie unsicher sind, fragen Sie doch einmal in die Runde, wie es zum Ausbruch des Ersten Weltkriegs kam, wo genau geografisch eigentlich die Sahel-Zone liegt oder welcher Planet unseres Sonnensystems die größte Anzahl an Monden hat. Niemand weiß es - und dieses Allgemeinwissen nützt für die Berufe Ihrer Bekannten mit Sicherheit auch nicht das Mindeste!
Es gilt also die Devise: Weg von der Bildung, statt hin zu ihr! Erstens braucht man das meiste davon eh nicht für die Arbeit - und genau genommen muss man noch nicht einmal zwingend arbeiten in diesem Land.

Ratschläge für noch mehr Bildungsferne

Wie kann man sich noch weiter von ohnehin unnützer Bildung entfernen? Zunächst einmal: Investieren Sie sämtliches noch vorhandene Geld in Unterhaltungselektronik!

1. Viel Fernsehen gucken!


"Fernsehen bildet. Immer, wenn der Fernseher an ist, 
gehe ich in ein anderes Zimmer und lese."
(Groucho Marx)


Der durchschnittliche Fernsehkonsum in Deutschland ist seit den 1990er Jahren kontinuierlich gestiegen. Eine kleine Delle tritt zwar 1999 sowie 2007, 2008 und 2012 auf - die Richtung geht dennoch ungebrochen nach oben.
Sah der Durchschnittsdeutsche 1992 noch 156 Minuten pro Tag fern (also etwas über 2 Stunden), so sind es 2012 schon 222 Minuten, also 3,7 Stunden!

Schauen Sie das Richtige! Zwar gibt es abends in bizarren Spartenkanälen wie zdf.info oder arte irgendwelche für Lehrer, Marketingleiterinnen und Ärzte von unseren Gebühren finanzierten Wissenschafts- oder Geschichts-Dokumentationen zu sehen, aber wenn Sie ehrlich sind - kein Schwein will das sehen. Statt sich mit Fachwörtern wie "Erdkruste", "Montan-Union" oder "Versteppung" verwirren zu lassen, schauen Sie lieber eine Sitcom, in der putzige amerikanische Teenager mit ihren leicht von den piepsigen Synchronstimmen abweichenden Lippenbewegungen auf anzüglich-schlagfertige Weise irgendwelchen Erwachsenen verbal Paroli bieten. Zwischenmenschliches kann jeder beurteilen - dafür benötigt man keinerlei Bildung!

Sie verstehen die Wendung "Paroli bieten" nicht? Macht nix! Zappen Sie ganz und gar rüber zu RTL II - und lassen Sie sich auch um nichts in der Welt die Werbung in den zahlreichen Werbepausen entgehen - dort erfahren Sie, mit welchen neuen WII- oder Playstation-Spielen Sie  noch weniger sprechen, dafür um so schneller klicken müssen. "It's all about Reflexes!", wusste schon die Hauptfigur des 90er-Ego-Shooters "The Shadow Warrior", Lo Wang.


2. Auf Facebook sein!

Nichts gegen Facebook! Es ist ein tolles soziales Netzwerk, das sogar ich exzessiv nutze, um mit Freunden, Kollegen, Schülern und Ex-Schülern in Kontakt zu bleiben. Allerdings ist meine Chat-Funktion dort deaktiviert.

Schüler chatten pro Tag etwa anderthalb bis zwei Stunden. Haben wir damals auch nur im entferntesten so viel geschrieben? Ich glaube es kaum!
Der kleine, aber feine Unterschied: Wenn wir früher einen Brief schrieben, achteten wir doch sehr darauf, dass dieser möglichst fehlerfrei war - und ließen ihn zur Not sogar einmal von einem Elternteil Korrektur lesen. Beim Chatten geht es jedoch vor allem um Schnelligkeit, weniger um den Erwerb überflüssiger arbeitsmarktrelevanter Kulturtechniken wie Rechtschreibung und Grammatik. Schrieben wir früher noch "Dies ist mir vollkommen klar", so heißt es im Chat nur noch: "is kla!".


3. Bücher generell meiden!


"Es gibt nur eins, was auf Dauer teurer ist als Bildung: keine Bildung."
(John F. Kennedy)


Lesen Sie nichts, nicht einmal "50 Shades of Grey" oder irgend etwas anderes, das einzelne verirrte Freunde von Ihnen vermeintlich begeistert lesen könnten. Harry Potter ist Gift, das hat so sinngemäß sogar die katholische Kirche festgestellt.
Wenn Sie etwas nachschlagen müssen, verlassen Sie sich einfach vollkommen auf Online-Lexika wie Wikipedia! Steht mal wieder einer dieser unbequemen Referate-Aufträge an, gilt: Kopien Sie wie gewohnt einfach den ganzen Artikel, ohne ihn zuvor zu lesen!

Fortgeschrittene Wikipedia-Plagiatoren können Ihnen vielleicht verraten, wie man den Vermerk "[Bearbeiten]" noch rauslöscht, bevor der Lehrer es bemerkt. Wenn Ihnen einzelne Teile des Artikels nicht vollends gefallen - bearbeiten Sie den Artikel noch ein wenig direkt im Wiki, bevor Sie ihn stehlen! Nachfolgende Schülergenerationen werden es Ihnen danken.

Ach ja, und wenn Ihnen mal wieder jemand ziemlich Blasses und wenig Sprachgewandtes in einem dieser Kaufhäuser oder Arbeitsämter entgegen kommt, denken Sie immer daran: Der will doch nur spielen!



Weblinks:

Unterschicht - Das wahre Elend: In Deutschland hat sich eine neue Unterschicht gebildet, die ohne Zukunft ist. Jahrzehntelang wurde versucht, ihre Armut mit Geld zu bekämpfen. Doch was die Benachteiligten wirklich brauchen, wird ihnen verwehrt. Eine Stern-Reportage aus der bildungsfreien Zone:
http://www.stern.de/politik/deutschland/unterschicht-das-wahre-elend-533666.html

KRIMINOLOGISCHES FORSCHUNGSINSTITUT NIEDERSACHSEN E.V. Forschungsbericht Nr. 108. http://www.kfn.de/versions/kfn/assets/fb108.pdf

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